Burg Herzberg Festival 2008 - Bericht von Thomas Schaumburg

Hallo,

einige von uns waren beim Burg Herzberg Festival und haben offenbar eine große Veranstaltung erlebt. Der SOTer Thomas Schaumburg hat einen tollen Bericht darüber geschrieben, den ich jetzt einfach mal ins Forum stelle. Es kam mir beim ersten Lesen fast so vor, als wäre ich selber dabei gewesen. - Vielen Dank Thomas...!


Burg Herzberg Festival 2008

Im bislang schönen Sommer 2008 war die Wetterprognose ausgerechnet für das Festivalwochenende sehr düster ausgefallen. Für Freitag und Samstag wurden Gewitter und ergiebige Regenschauern angesagt. Bereits im letzten Jahr waren wir ja an beiden Wochenendtagen fast weggeschwommen, Autos hingen fest etc. Und Uriah Heep hatten den ganzen Ablaufplan - mit ihrer Weigerung bei Regen anzufangen - umgeworfen und die Fans über eine Stunde buchstäblich im kalten Regen stehen gelassen, um dann selbst nach 70 Minuten wieder zu verschwinden, was wir unsererseits auch nur im Weggehen mitbekommen hatten.

Dieses Jahr gings mit nur einem Martin (Neuser) als Übernachtungsgast an den Start. Martin Hauenstein war wohl noch vom letzten Jahr wegen zugebautem und dann festgefahrenem Auto traumatisiert. Dafür hatte er uns zum Hessentag zu REO Speedwagon, Kansas und Journey begleitet.

Das Burg Herzberg Festival fand 1968 zum ersten Mal statt und feierte dieses Jahr somit den 40. Geburtstag. Initiator der damaligen Veranstaltung war die populäre hessische Beatband „The Petards“ aus dem nahegelegenen Schrecksbach. Vor einigen Jahren gab es eine Wiederbelebung der Band mit Originalmitglied Arno Dittrich (Schlagzeug) und dem weiteren ehemaligen Frühmitglied Bernd Wippich (Gesang, Gitarre, bekannter als Frontmann von „Randy Pie“). Einen Gastauftritt hatte Originalbassist Roger Waldmann, der zuvor direkt neben uns im Publikum stand und auch vom Fernsehen interviewt wurde.

So eröffneten die Petards nun das Jubiläumsfest am Donnerstag um 18 Uhr. Publikum war bereits zahlreich vertreten, da viele bereits am Mittwoch angereist waren und das Hauptzeltlager erreichtet hatten. Die Jungs spielten ein volles Programm mit einigen ihrer Hits aus den 60/70er Jahren, wobei auch einige durchaus rockige Nummern vorhanden sind.

Zur Band gehört heute u.a. der Originalkeyboarder der Kasseler Rocklegende „Aqua“, Martin
Großkurth. „Unser“ Martin hat die Petards leider verpasst, da er im Anreisestau vor dem Gelände fest hing. Die Einreise fand, wie wir später mitbekamen, bis in die Nacht hinein statt.

Bereits die zweite Band war ein Höhepunkt des diesjährigen Wochenendes: „Birth Control“, ebenfalls vor 40 Jahren gegründet. Mit perfektem Sound und der immer wieder mitreißenden Spielfreude sorgten die Jungs um Sänger/Drummer Bernd „Nossi“ Noske für gute Stimmung. Als besonderen Gast hatten sie den früheren zweiten Sänger und Bassisten Peter Föller bei zwei Songs auf der Bühne. Im Programm waren diesmal u.a. Exotensongs wie „Hope“ (1970 nur Single erschienen) und die Zugabe „She’s Got Nothing On You“. Und natürlich eine fast halbstündige Version von „Gamma Ray“.

Danach traten wir zufrieden den Heimweg an und genehmigten und zuhause noch einen Dämmerschoppen bevor es gegen 2 Uhr ins Bett ging.

Am Freitag war es den ganzen Tag bedeckt wie schon am Donnerstag Abend, aber Regen kam nicht herunter. Da uns die Bands tagsüber nicht so interessierten, hingen wir ein bisschen zuhause ab. Am späten Nachmittag brachen wir zum Herzberg auf. Heute sollten uns „Demon’s Eye“ beglücken, die Deep Purple Coverband aus dem Siegerland mit Sänger Jens Kreikebaum, ehemals bei „Firefly“ (Heep Coverband aus Siegen mit Jürgen Hövelmann). Da auf dem Festival eigentlich keine Coverbands spielen, hatte die Band erstmalig für dieses Ereignis eigene Songs ins Programm genommen. Diese passten gut zwischen die Purplesongs, die dann auch noch gebracht werden durften. Der Zuspruch an Publikum vor der Freak Stage (kleine Bühne) war recht ordentlich. Ausgelutschte Klassiker wurden gar nicht gespielt, sondern mehr interessantes Material wie „Mandrake Root“ und ein Song aus der Rod Evans Zeit (ich bin nicht so der Purple Experte). Die Jungs wurden gut abgefeiert und mehrere Umstehende meinten, die Band heute wäre besser als das Original.

Auf der Hauptbühne stand später der groß angekündigte und von vielen Fans erwartete Auftritt der deutschen Rocklegende „Grobschnitt“ an. Der Band wurde sogar eine Stunde mehr Auftrittszeit gegönnt und der Ansager sprach von niemals zuvor betriebenenem Aufwand für diese Show. Die sonst sehr spartanisch gehaltene Bühne war auch mit weißen Tüchern gestaltet.

Die Band spielte dann auch über zwei Stunden lang und es gab auch drei oder vier Einlagen mit Pyrotechnik und manchmal kam eine Verkleidung zum Einsatz. Die Musik war recht entspannt und ruhig, musikalische oder instrumentale Eskapaden gab es keine und die Maskerade war auch eher sparsam. Insgesamt mehr eine Showveranstaltung die ins Abendprogramm eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders gepasst hätte. Worin das Besondere dieser Band liegen soll, weshalb der ganze Hype um dieses Truppe gemacht wird, war nicht nachzuvollziehen. Auch wenn ganze Familien mit Grobschnitt-Shirts und Käppies herumliefen, aber das spricht ja tatsächlich für die Zuordnung zur zuvor beschriebenen Zielgruppe.

Irgendwie hatten wir dann auch keinen Antrieb mehr und sind gemütlich durch den dunklen Wald zum Auto geschlendert. Dieses Jahr haben wir es dann gleich so gemacht, dass wir das Auto im letzten Dorf geparkt haben und die 2 km zu Fuß gegangen sind. So standen wir in keinem Stau und konnten uns bei schlechtem Wetter auch nicht festfahren. Die Einrichtung eines Parkplatzes für Tagesbesucher hat man sich in den letzten Jahren –wahrscheinlich mangels Masse – geschenkt. Die meisten Besucher campen schließlich dort.

Zuhause angekommen schauten wir uns diesmal einige Kultvideos von deutschen Bands aus den Siebzigern an, also sogenannten Krautrock. Damals hat man sich schon einiges an Ausgefallenem einfallen lassen.

Am Samstag hat es entgegen den Prognosen immer noch nicht geregnet, es war zwar bedeckt, aber ab und zu guckten der blaue Himmel oder mal ein Sonnstrahl durch.

Nachmittags kam ein weiterer Höhepunkt Festivals: „Focus“. Sänger ,Organist und Flötist Theijs van Leer hat Originaldrummer Pierre van der Linden wieder dazu geholt und zwei jüngere Leute mit Gitarre und Bass. Eine gute Band, die den Originalsound ordentlich rüber bringt. Theijs ist zwar, vorsichtig ausgedrückt, recht korpulent geworden, was seiner Stimme aber keinen Abbruch tut. Und ihn schon gar nicht hindert, sich im hinteren Drittel des Sets seines Hemdes zu entledigen. Auf jeden Fall ist er einer der besten Hammondspieler, die man so kennt und wohl ziemlich der Einzige, der eine B3 samt Leslie auf der Bühne stehen hat. Ich war vorher etwas skeptisch und hätte gern Jan Akkerman dabei gehabt, aber man kann und sollte sich die heutige Gruppe auf jeden Fall ansehen, es lohnt sich.

Es ist ja bei vielen Bands so, dass originale Mitglieder fehlen. Das muß aber nicht heißen, dass die Neuen schlechter sind. Mitunter sind sie sogar besser oder auch besser bei Stimme als manch Originalmusiker.

Als weiterer Höhepunkt stand die polnische Progband „Riverside“ an. Leider wurde zumindest mir die Sache etwas verdorben, weil zeitgleich hierzu auf der Freak Stage mit „Hypnos 69“ eine weitere interessante Band antrat. Während Martin sich Riverside komplett reinzog, pendelten Karin und ich hin und her. Vor der Freak Stage hatten sich eine gute Anzahl Zuhörer versammelt, um die relativ unbekannte belgische Band zu sehen. Wahrscheinlich auch viele Eclipsed-Leser, denn dort gab es schon Songs von denen auf der Sampler-CD. Hypnos 69 starteten mit dem Titeltrack des aktuelles Albums „The Eclectic Measure“. Dann folgten einige schrägere Songs und wir gingen erst mal zur Hauptbühne zurück. Riverside haben ihren fetten Sound auch live hinbekommen. Allerdings stellte ich fest, dass mir das als Auftritt zu steril war. Die Musik kam wie von Platte und hatte wenig lebendiges oder abwechslungsreiches. Von daher gingen wir wieder zu den lebendigeren Jungs an die kleine Bühne. Hypnos 69 bestehen aus Drums, Bass, singendem Gitarristen und saxonspielendem Keyboarder. So war auch instrumentell einige Abwechslung vorhanden. Analoges Spiel von Gitarre und Sax klingt sehr progressiv. Der Bassist nutzt auch die aus den 70er Jahren bekannten Taurus-Bass-Pedale, welche sehr tiefe und fette Sounds hervorbringen.
An Tasteninstrumenten hatte man nur ein modernes Nova-Keyboard, welches aber alle möglichen 70er Sounds gut reproduziert.

Die Auftritte auf kleineren Bühne transportieren meiner Meinung nach wesentlich besser eine Art ursprüngliches Flair und Aufbruchsgeist als größere Arenen. Legendäre Aufnahmen aus Frühstadien später bekannter Bands fanden ja auch eher in solchen Umgebungen statt. Das konnte ich mir bei Demon’s Eye und Hypnos 69 gut vorstellen. Es entwickelt sich bei gutem Sound auch ein enormer Drive, der sich direkt überträgt.

Wettermäßig hatten wir die ganzen Tage bisher Glück gehabt, nur einmal war während Focus eine Schauer niedergegangen. Erst gegen Abend zogen dann aber doch dichtere Wolken heran und dauerhafter Regen setzte ein.

Es blieb noch Zeit, ein paar Kult-LPs, die ich an den vorangegangen Tagen beim Stöbern schon entdeckt hatte, einzustecken und Martin nahm noch einiges Räucherwerk mit. Für gut erhaltene LPs wollen die Händler inzwischen wieder richtig Geld haben. Preise von über 20 Euro sind keine Seltenheit. Dann traten wir den Marsch zum Auto an, während Steve Harley und Cockney Rebel ihren Auftritt begannen.

Für den Sonntag standen noch die Herzberg Blues Allstars auf dem Programm, wie immer mit der Hamburg Blues Band, diesmal mit den Gästen Chris Farlowe, David Clempson und Micky Moody. UND Ken Hensley !! Umständehalber haben wir darauf jedoch verzichtet. Die Hamburger mit Gästen waren gerade zweimal in Kassel und den guten Ken habe ich in den letzten Jahre auch schon einige Male gesehen. Sicherlich hat er hier nur zwei drei Songs vorgetragen. Und für die Lady In Black wäre der Aufwand dann doch zu groß gewesen.

"Siena Root" aus Schweden hätten um 23 Uhr den Abschluß gemacht, aber für Berufstätige war das auch nicht machbar. Schade, denn die Jungs hätte man sich gern auch noch angesehen, hoffentlich wieder mit Sänger, nachdem wir sie erst vor einigen Wochen in Siegen überraschend völlig ohne Sänger auf Tour angetroffen hatten.

Thomas Schaumburg